Elektroschrott – Der am schnellsten wachsende Abfallstrom

20. Oktober 2020 | Lesedauer 5 Minuten

Mehr als 200 Millionen gebrauchte und nicht mehr genutzte Smartphones liegen in unseren Schubladen und Schränken – mit steigender Tendenz. Damit lagern 50 Tonnen Silber, 4,8 Tonnen Gold und 1,8 Tonnen Palladium in deutschen Schubladen und Schränken. Zeit innezuhalten und über unseren Umgang mit E-Schrott zu reflektieren. Ein Beitrag von Ralph Rillox, Abteilungsleiter Kommunale Abfallwirtschaft und Stoffstrom des Zweckverbandes Ostholstein.


Am 14. Oktober war internationaler e-Waste Day – und wenn ich mich mal in meinem eigenen Haus so umschaue, dann muss ich sagen: Da bin ich wohl dabei. Leider allerdings nicht im positiven Sinne – e-Waste, also Elektroschrott, habe ich hier auch jede Menge rumliegen. Und jetzt? Ich arbeite doch im Entsorgungsbereich, ich müsste es besser wissen?

Ich frage mich:

  1. Warum gibt es überhaupt so viel Elektroschrott?
  2. Und warum liegt einiges davon noch immer hier im Haus rum, obwohl die Geräte defekt sind oder offensichtlich nicht mehr gebraucht werden?

Diese beiden Fragen stehen für grundsätzliche Herausforderungen, die das Thema Elektroschrott mit sich bringt. Wir alle produzieren zu viel davon und die Entsorgung im Sinne einer Kreislaufführung könnte besser sein.

Defekter E-Schrott in Schrank und Schublade

Fangen wir mit der zweiten Frage an: Warum liegt so viel E-Schrott in unseren Schubladen? Sind wir zu bequem? Es geht um die Verbesserung der Kreislaufführung. Wie kommt es, dass die Quoten der Rücknahme nicht erreicht werden?

Klar, es gibt Menschen, die der Meinung sind, dass es in Ordnung ist, Müll irgendwo in der Natur zu entsorgen. Das sind Menschen und Abfallmengen, die wir – egal mit welcher noch so gut gemeinten Kampagne, einem noch so dichten Rückgabenetz oder Verboten und Vorschriften – nicht erreichen. Wer nicht versteht, was mit illegaler Entsorgung in der Umwelt angerichtet wird, versteht auch nicht diesen oder andere hilfreiche Artikel und Kommentare.

Aber was ist mit all den nicht mehr funktionsfähigen Geräten die in deutschen Haushalten in den Schubladen, Dachböden und Kellern schlummern? Eine erschreckende Zahl laut dem Fachmagazin recyclingnews: Mehr als 200 Millionen gebrauchte und nicht mehr genutzte Handys und Smartphones liegen in Deutschlands Schubladen und Schränken – Tendenz steigend! Andere Quellen setzen diese Zahlen noch höher an. So richtig erschreckend wird es, wenn man bedenkt, dass in jedem Smartphone (ohne Akku) ca. 6,5 Gramm Kupfer, 0,011 Gramm Silber, 0,017 Gramm Gold und 0,002 Gramm Palladium enthalten sind. Hochgerechnet ergibt das bei 200 Millionen Smartphones 50 Tonnen Silber, 4,8 Tonnen Gold und 1,8 Tonnen Palladium, die in deutschen Schubladen liegen. Für die gelagerte Menge von 650 Tonnen Kupfer benötigt man, laut dem Deutschen Kupferinstitut, unter günstigen Bedingungen mehr als 100.000 Tonnen Erz. Von den ganzen Schadstoffen, die man außerdem mit alten Geräten in seiner Schublade lagert, ganz zu schweigen. Das sind zum Beispiel Blei, Quecksilber und Cadmium.

Wie bekommen wir es hin, dass diese Geräte dem Recycling zugeführt werden?

Nicht nur abgebaute Erze stellen eine unnötige Umweltverschmutzung dar. Der Brennstoffbedarf für die Kupferherstellung aus Altkupfer ist einem Bericht an das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zufolge nur halb so groß.

Die ordnungsgemäße Entsorgung von Elektroschrott ist damit ein extrem wichtiger Beitrag zum Klimaschutz. Also, ab zum Recyclinghof oder anderen Rücknahmestellen für Elektroschrott. Davon gibt es in jedem Landkreis und jeder Stadt genug.

Warum gibt es überhaupt so viel E-Schrott?

Im Idealfall wird überhaupt weniger E-Schrott produziert. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass viele von uns nicht immer das modernste Smartphone hätten. Bevor jetzt die Gefahr aufkommt, dass der geneigte Leser abschaltet, weil er den erhobenen Zeigefinger befürchtet: Keine Angst, dies ist kein Plädoyer für „Zurück in die Steinzeit“. Die Entwicklung neuer Medien, neuer Technologien hat viele Vorteile, die die meisten Leute in ihrem Leben nicht mehr missen möchten. Das ist normal und geht mir auch so. Aber ich stelle mir beim Schreiben dieses Kommentars durchaus die Frage, ob wir die Art und Weise, wie und wie lange wir Elektrogeräte nutzen, nicht verbessern können.

Können wir nicht bereits mit unseren Kaufentscheidungen unsere Umweltauswirkungen im Gebrauch mit Elektrogeräten beeinflussen? Gibt es Alternativen zu „jedes Jahr ein neues Handy“? Alternativen zu Geräten, die sich nicht reparieren lassen? Gibt es Geräte, die „einigermaßen“ umweltfreundlich produziert werden? Können Elektrogeräte ein „second-life“ haben? Ich denke, wenn man will, wird man schnell fündig – die Internetsuchmaschinen sind unser Freund und zeigen uns, welche Produkte nachhaltiger sind als andere. Wir müssen es im ersten Schritt selbst wollen und damit einen Unterschied machen. Wir müssen nicht warten bis die Politik reagiert.

Das können wir tun

Die Herausforderung ist offensichtlich: Wir produzieren und verbrauchen immer mehr Elektro- und Elektronikgeräte, die auf Kosten von Mensch und Umwelt hergestellt werden.

Werden Elektrogeräte wirklich nicht mehr gebraucht, dann ist die Entsorgung als E-Schrott der richtige Weg. Sowohl mit der Lagerung zu Hause in der Schublade, oder, sogar noch schlimmer, der Entsorgung in der falschen Tonne – verschlimmern wir nur ein bestehendes Problem. Es zahlt sich darüber hinaus aus, zwei von drei funktionierender „Ersatzhandys“ an Freunde weiterzugeben. Gebrauchte Dinge sind nicht schlecht und können weizerverwendet werden. Je länger die Nutzungsdauer, desto besser. Alles, was sich reparieren lässt, sollte weiter verwendet werden. Wenn nicht von einem selsbt, dann von Menschen, die das Produkt benötigen. Portale, mit dem Zusatz „Kleinanzeigen“, geben uns die Möglichkeit, mit wenigen Klicks den richtigen Nutzer für das nicht mehr verwendete Gerät aufzuspüren. In manchen Fällen lässt sich damit sogar die Kaffeekasse auffüllen.

Sollte das nicht klappen, sind die ausgedienten Elektro-Altgeräte an Sammelstellen der öffentlich-rechtlichen Entsorger ab (Recyclinghof) oder im Handel gut aufgehoben.

Es kann sinnvoll sein, beim nächsten Kauf darüber nachzudenken, was mit dem alten Gerät passiert. Nehmen wir an, wir hätten folgende Situation: Meine Frau und ich haben uns eines dieser hochmodernen Geräte angeschafft, das mich oder meinen besten Freund in einen Sternekoch verwandelt. Das Gerät kann mixen, kochen, nur braten kann es nicht. Ein tolles Gerät, aber was wird aus dem Mixer von Tante Erika? Der Mixer funktioniert noch einwandfrei, seine Dienste werden jedoch nicht mehr benötigt. Es wäre falsch, den Mixer einfach in der Schublade liegen zu haben. Der Mixer würde wohl die Schublade niemals verlassen. Richtig ist es, den Mixer an einen Freund abzugeben, der ihn verwenden kann und nutzt. Denke einmal an dieses Szenario beim Kauf des nächsten Elektrogeräts. Die Eigenschaften höher, schneller, weiter moderner Elektrogeräte machen viele Geräte im Haushalt „überflüssig“. Finde ein neues Leben für diese Geräte – abseits deiner Schublade.

Mach mit, schone Ressourcen und trenn richtig. Dein defektes Smartphone ist ebenso ein Rohstoff wie das alte Radio von Opa Herbert oder der Mixer von Tante Erika. Sie alle haben es verdient, genutzt zu werden – im Alltag oder als Quelle von Rohstoffen für neue Produkte. Wir haben es in der Hand, etwas zu verändern. Jeden Tag.

 – Trennen rockt!

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