Fast Fashion – Tragödie für Mensch und Umwelt

26. Januar 2022 | Lesedauer 7 Minuten

Vergesst das Thema Plastiktüten. Sie sind zwar mies für die Umwelt, aber auch nicht viel schlechter als Papiertüten. Es geht vielmehr darum, sie möglichst lange und oft zu verwenden – ganz egal aus welchem Material sie ist. Es geht um haltbare Baumwollbeutel, den Umstieg auf eine fleischlose Ernährung, ein Paradigmenwechsel von „immer mehr“ auf „weniger ist mehr“. Genau dieser Punkt trifft auch auf die Modeindustrie zu. Fast Fashion lautet das Buzzwort und sie sorgt dafür, dass jedes Jahr unfassbare Mengen von Kleidungsstücken auf dem Markt liegen. Der Begriff Fast Fashion bezieht sich in erster Linie auf die stark erhöhte Zahl von Kollektionen. Ständig wechselnde und extrem preiswerte Kollektionen machen Kleidung zum Massenprodukt. Kaum getragen, schon entsorgt.
Die Modehersteller selbst versuchen uns allen weiszumachen, dass es immer die neueste Kollektion sein muss, der Kleiderschrank immer mit den angesagten Saisonfarben gefüllt sein sollte und kurbeln neben ihrem eigenen Umsatz den massenhaften Konsum von Kleidungsstücken an.

Die Kollektion von heute ist der Müll von morgen

Wir haben uns an die stetig wechselnden Kollektionen bei Zara, H&M & Co gewöhnt. All diese Kollektionen gibt es zum Schnäppchenpreis und es wird massenhaft produziert, aber nur wenig getragen und viel wieder entsorgt. Bereits heute kaufen wir Deutschen laut Statistik sechzig neue Kleidungsstücke pro Jahr (McKinsey & Company, 2016). Das ist mehr als ein Artikel pro Woche: Tendenz steigend. 40 Prozent aller gekauften Kleidungsstücke werden seltener als 3-mal im Monat getragen. Im Durchschnitt tragen wir ein Kleidungsstück ganze vier Mal, bevor wir es aussortieren. Die Fertigungszyklen der wechselnden Trends werden immer kürzer und die Spirale dreht sich weiter.

Die Tragödie für die Umwelt

Das Konzept „Fast Fashion“ hat fatale Folgen für unsere Umwelt. Die Modeindustrie verbraucht zum einen sehr viel Energie und setzt zum anderen zur Produktion von kostengünstiger Massenware auf billige Synthetikfasern. Heute sind diese Fasern in über 70 Prozent unserer Kleidung. Diese Synthetikfasern können beim Waschen ins Abwasser und in die Meere gelangen. Die günstigen Materialien haben ein weiteres Problem: Sie sind schwer bis gar nicht zu recyceln, so dass sich die Fasern nicht zur Herstellung neuer Kleidung eignen.

Aber auch die Ökobilanz eines Baumwoll-Hemdes ist vernichtend. Für die Produktion werden etwa 3.000 Liter Wasser benötigt. Hinzu kommen nicht selten umweltschädliche Chemikalien und ein hoher CO2-Ausstoß bei der Produktion. Deshalb ist es so wichtig, das Hemd möglichst lange zu tragen. Ist das Material aber nur von geringer Qualität, landet das Hemd noch schneller in der Tonne. Der günstige Preis für Kleidungsstücke wird an anderer Stelle beglichen: Mit ca. 1,2 Milliarden Tonnen CO2 produziert die Modeindustrie mehr Emissionen als die Luft- und Schifffahrtsbranche (Quelle: Ellen MacArthur Foundation). Nicht nur die Umwelt leidet unter unserem Modekonsum. Viele Kleidungshersteller lassen Ware in Entwicklungsländern unter menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen produzieren.

Katastrophale Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern

Niedriglöhne, prekäre Beschäftigungsformen und Verstöße gegen die Vereinigungsfreiheit prägen Teile der globalen Bekleidungs- und Sportartikelindustrie. Wer sich sein Kleidungsstück von H&M, Primark & Co schon einmal genauer angesehen hat, wird ein „Made in Bangladesh“ oder „Made in China“ entdeckt haben. Mehr als 70 Prozent aller Kleidungsstücke, die in die EU importiert werden, kommen aus Asien. Die Textilproduktion ist nicht nur in Bangladesch, sondern etwa auch Pakistan, China, Indien, Vietnam, Kambodscha, Indonesien oder der Türkei von großer Bedeutung.

Die wichtigsten Herkunftsländer – gemessen am Einfuhrwert in Millionen – für Bekleidungsimporte in die EU sind laut Angaben von Euratex Daten folgende Länder:

Warum erfolgt die Produktion hauptsächlich in Asien?

Das hat einen einfachen Grund: Die Herstellung von Kleidung ist ein arbeitsintensiver Prozess. Die Firmen suchen sich in der Folge einen Produktionsort, an dem sie die günstige Arbeitskraft finden. Davon profitiert das Unternehmen selbst und am Ende wir, die Konsumenten in Europa. Wir erhalten für einen sehr geringen Betrag neue Kleidung. Den Preis dafür tragen die vielen Arbeiterinnen, die an 7 Tagen in der Woche bis zu 16 Stunden unter menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen Kleider zusammennähen. Was viele nicht wissen: Das Zuschneiden und Zusammennähen von Kleidern ist bis heute in erster Linie Handarbeit. Obwohl diese Frauen so ein hohes Arbeitspensum haben, reicht ihnen der Lohn oft nicht zum Leben.

All das passiert weit weg von uns. Der Einsturz eines mehrstöckigen Gebäudes in Bangladesch im Frühjahr 2013 ist der bisher größte Unfall der internationalen Textilindustrie. Seit diesem Vorfall soll es höhere Sicherheitsstandards in Bangladesch geben. Bei dem Einsturz des Hauses kamen 1100 Textilarbeiterinnen ums Leben und mehr als 2400 wurden verletzt. Diese Tragödie hat vor allem eins gezeigt: Wir tragen eine Mitverantwortung für diese Umstände, unter denen Kleidungsstücke für uns gefertigt werden. Wir haben einen Einfluss. Wer auf Fast Fashion verzichtet und auf fair produzierte Kleidung setzt, kann als kritische Konsumentin oder kritischer Konsument einen Unterschied machen.

Faire Arbeitsbedingungen sind möglich. Solange es keine verbindlichen Gesetze für faire Arbeitsbedingungen und Existenzlöhne gibt, braucht es Initiativen, bei denen sich alle involvierten Parteien für eine saubere Bekleidungsindustrie engagieren. Eine solche ist die Fair Wear Foundation, die 1994 gegründet wurde. Hier arbeiten Unternehmen, NGOs und Gewerkschaften zusammen. Sie baut auf langfristige Lieferantenbeziehungen, größtmögliche Transparenz und ein mehrstufiges Kontrollsystem.

Steigende Müllmengen durch Onlinehandel und Retouren

Der Onlinehandel boomt und das gilt natürlich auch für den Kleiderkonsum. Professionelles Social Media Marketing inklusive Targeting und Anzeigenschaltung sorgen ebenso wie Influencer Marketing dafür, dass vor allem die junge Zielgruppe permanent mit den neusten Trends versorgt wird. Das Einkaufen selbst ist eine Sache von wenigen Klicks auf dem Smartphone. Die Pakete mit den neuen „Schätzen“ landen in kürzester Zeit vor der Haustür und schon sind die Trendfarben im Kleiderschrank. Alles was nicht überzeugt, wird zurückgesendet. Auch das geht kinderleicht.

Aber wo landen all diese Retouren und was passiert damit? In der Vergangenheit wurde immer wieder berichtet, dass Amazon und H&M Retouren vernichten. Das ist absurd. Die Neuware wird aber nicht nur zerstört, sondern türmt nach übereinstimmenden Medienberichten in der Atacama-Wüste in Chile. Weitere Informationen sind dem SWR-Beitrag „Dünen aus Kleidung, Darum landet Fast-Fashion in der Atacama-Wüste“ von Anne Herrberg zu entnehmen.

Berge aus Kleidung türmen sich in der Atacama-Wüste

Die Atacama-Wüste ist die trockenste Wüste der Welt. Hier liegen Berge aus Kleidung. Sie sollen aus den USA und Europa stammen. Der Großteil davon ist Neuware, die nicht verkauft wurde. Fast-Fashion, die im Laden niemand wollte oder die als Retoure zurückgeschickt wurde. Jedes Jahr werden etwa 59.000 Tonnen Kleidung nach Chile geliefert. Davon wird einiges in Lateinamerika weiterverkauft. Jedoch landen etwa 39.000 Tonnen jährlich in der Atacama-Wüste. Das Video zeigt die verheerenden Umstände vor Ort.

Die Kleidung in der Wüste ist ein starkes Umweltproblem. Die mit Schadstoffen belasteten Kleidungstücke vergiften die Natur, in der sie liegt. Die Schadstoffe gelangen beim Färben, Bleichen oder Bedrucken in die Textilien.

Nachhaltige Kleidung – Umdenken in der Modeindustrie?

Mit dem Aufkommen der Modediscounter H&M, Zara und PRIMARK wurde der Rhythmus der Kollektionen schneller und das Konzept „Fast Fashion“ war geboren. Ein T-Shirt für nur 2,90 € ist keine Seltenheit. Es gab in der Vergangenheit auch Zeiten, in denen Kleidungsstücke keine Wegwerfartikel waren. Für sie wurde gespart, sie wurden gepflegt und geliebt.
 
Seit einigen Jahren findet ein Umdenken statt und das ist auch gut so. Der Prozess findet sowohl bei den Kunden statt als auch bei den Herstellern. Der Klimawandel betrifft uns alle und gerade die Fast-Fashion-Strategie ist ein wesentlicher Antreiber von Ressourcenverschwendung und damit eine Ursache für den Klimawandel. Die Hersteller haben erkannt, dass ihre Kunden sensibilisiert sind für den Klimawandel. Sie wollen – oder müssen sogar – im Sinne einer Markenkommunikation Verantwortung tragen. Der Begriff „Nachhaltigkeit“ zielt hier sowohl auf die Arbeitsbedingungen ab als auch auf die Verwendung hochwertiger Materialien, aus denen Neues entstehen kann. Auch wenn es bei einigen Discountern nun auch eine „Bio“-Linie gibt, verzichten die meisten nicht auf das Fast-Fashion-Geschäft. Es scheint eine kühle Geschäftsstrategie zu sein, die eigene Marke als nachhaltig zu produzieren.
 
Der Druck ist groß. Auf den Markt gelangen lauter neue Anbieter, die auf eine umweltschonende Produktion achten oder ihre Kleidung direkt aus Plastikteilen aus dem Meer produzieren. Nachhaltigkeit ist Teil ihrer Philosophie. Diese Produkte sind in der Regel teurer. Es bleibt immer eine Entscheidung des Kunden, für welches Produkt er sich entscheidet. Es liegt also an uns. Wir entscheiden, wie viele Kleidungsstücke wir im Jahr kaufen. Wir entscheiden, wie viele Klamotten in unserem Schrank rumliegen, ohne dass wir sie anziehen und wir selbst entscheiden, ob wir T-Shirts für 2,90 € kaufen. 

Tipps für einen schonenden Umgang mit deiner Kleidung

Wie bei unserem Baumwollbeutel geht es auch beim Thema Kleidung in erster Linie darum, dass jeder von uns seine Kleidung möglichst lange trägt. Wir haben die wichtigsten Tipps für einen schonenden Umgang mit deiner Kleidung zusammengestellt:

  • Achte auf eine niedrige Waschtemperatur.
  • Benutze möglichst keinen Trockner, das schont die Fasern.
  • Wenn die Kleidung nicht richtig verschmutzt ist, reicht das Auslüften zum Vertreiben negativer Gerüche und kann den Waschgang ersetzen.
  • Löcher und Knöpfe lasen sich schnell selbst reparieren. Bei größeren Schäden hilft eine Änderungsschneiderei und das geliebte Kleidungsstück ist wieder komplett.
  • Wenn die Kleidung nicht mehr gefällt, kann man sie im Freundeskreis weitergeben oder selbst zu einem Second-Hand-Laden bringen.
  • Wenn sich kein Nutzen mehr findet, ab in den Altkleidercontainer.
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