Mikroplastik in Kosmetikprodukten

5. Oktober 2022 | Lesedauer 7 Minuten

Es ist unheimlich, in welche Lebensbereiche sich Plastik eingeschlichen hat. In vielen Kosmetikprodukten befindet sich Mikroplastik – vom Duschgel über Gesichtscreme bis hin zum Peeling. Wir tragen das Mikroplastik täglich auf unsere Gesichtshaut auf. Am häufigsten ist es im Make-up und in Lippenstiften vorhanden. Nur die wenigsten Menschen dürften wissen, was sie sich da täglich ins Gesicht reiben.

Durch das Duschen gelangt das Mikroplastik über Kläranlagen in die Meere, wird von Fischen aufgenommen und landet auf unseren Tellern. Mikroplastik in Kosmetikprodukten muss nicht sein. In diesem Beitrag zeigen wir den Weg vom Badezimmer ins Meer und die Gefahr für die Umwelt.

Starten wir mit einem Ausflug in die Welt einer imaginären Influencerin:

Wir sehen eine junge Dame, die zu Ihren Followern spricht – perfekt ausgeleuchtet in bester Tonqualität:

Hey, hallo, ich bin‘s wieder, eure Gundy von Gundulas Gesichtspflege-Blog. Heute habe ich den absoluten Krachertipp für euch: Ein Hausrezept für eine reine, strahlend schöne Haut. Dafür braucht ihr nicht viel: Etwas Vaseline, etwas Essig und Alkohol und drei einfache Obstbeutel aus Plastik. Ihr wisst schon: Die, in denen man die Äpfel im Supermarkt so schön einpacken kann.

Wir starten mit der Plastiktüte. Die müsst ihr als erstes mit einer Schere ordentlich vorzerkleinern. Anschließend füllt ihr 150 ml Essig-Alkohol-Gemisch in ein Glas und füllt die kleinen Plastikschnipsel da rein. 5 Minuten warten, ordentlich umrühren und dann gut mit der Vaseline vermischen.

Die Super-Duper-Spezial-Creme könnt ihr dann in einen Tiegel füllen. Da Plastik fast unendlich lange benötigt, bis es sich in der Natur zersetzt, können wir also auch davon ausgehen, dass sich die Creme ein paar Jahre halten wird. Obwohl… bei der tollen Wirkung, die sie auf eure Haut haben wird – Ihr werdet sie so lieben, dass ihr sie vorher aufgebraucht habt!“

Schnitt – Und jetzt in echt:

Die meisten Menschen, die das Video der Influencerin geschaut hätten, würden sich wahrscheinlich denken: „Was ist denn das für ein Unsinn?“ – Umso erstaunlicher ist der Fakt: Mikroplastik ist Bestandteil der meisten Kosmetik- und Hautpflegeprodukte.

Was ist Mikroplastik?

Das Umweltbundesamt hat den Begriff Mikroplastik im Zusammenhang mit Kosmetik- und Reinigungsprodukten mit den folgenden Worten definiert:

Mikroplastik ist (…) ein Sammelbegriff für verschiedene feste Kunststoffe. Hinzu kommt, dass Plastik abhängig von den eingesetzten Polymeren und den jeweiligen Additiven unterschiedliche Eigenschaften hat. Diese Definitionen – sowohl beim EU-Ecolabel als auch aus dem Meeresschutz – umfassen alle in kosmetischen Mitteln oder Wasch- und Reinigungsmitteln eingesetzten Arten von Mikroplastik unabhängig von ihrer technischen Funktion im Produkt.“ [1]

Grundsätzlich wird zwischen primärem und sekundärem Mikroplastik unterschieden.

Als primäres Mikroplastik werden kleine Plastik-Partikel bezeichnet, die industriell hergestellt werden und bei ihrem Eintritt in die Umwelt bereits kleiner als fünf Millimeter sind. Dazu gehört zum Beispiel der in der Kosmetikindustrie verwendete partikuläre Kunststoff (feste Plastikkügelchen, z.B. im Peeling) sowie flüssiger oder gelöster Kunststoff, welcher u.a. als Trübungs- oder Bindemittel eingesetzt wird.

Sekundäres Mikroplastik entsteht wiederum durch chemische, biologische und physikalische Zerfallsprozesse größerer Kunststoffteile. Zum Beispiel im Verwitterungsprozess durch Wellenbewegungen des Meeres, den Wind oder die Sonneneinstrahlung. Aber auch der in diversen Produktionsprozessen entstehende Abrieb von Plastik (Autoreifen, Textilien, etc.) zählt dazu.

Eine Sache haben beide Arten des Mikroplastiks gemein: Ist einmal Mikroplastik im Meer gelandet, dauert es über Jahrzehnte, bis es sich vollständig zersetzt hat. Bis dahin liegt es auf dem Meeresgrund und wird mit den Strömungen über die Zeit im Meer verbreitet.

Warum wird Mikroplastik für die Herstellung von Kosmetika und Reinigungsmitteln verwendet?

Die Industrie setzt diese Stoffe im Wesentlichen als abrasive Stoffe (die kleinen Kügelchen im Peeling) und auch als Trübungsmittel ein. Aber auch als Filmbildner oder Füllstoff wird Mikroplastik genutzt. Hier jedoch meist in Form von wasserlöslichen Polymeren. Damit sind diese Stoffe genau genommen keine Mikroplastiken im Sinne der oben genannten Definition. Nun ist der Umwelt (und auch den darin lebenden Lebewesen wie uns) ja meist egal, wie wir irgendwelche Begriffe definieren. Fakt ist: Es handelt sich um Kunststoffe, die so in der Natur nicht vorkommen, oft vermeidbar sind und unter Umständen eher zweifelhafte Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Umgangssprachlich, d.h. ohne wissenschaftlichen Standards zu genügen, fassen wir diese „wasserlöslichen Polymere“ auch unter dem Begriff Mikroplastik zusammen.

Warum ist Mikroplastik in Kosmetikprodukten schlecht?

Sehr umfangreich hat sich u.a. Greenpeace mit dem Thema „Plastik in Kosmetik“ auseinandergesetzt. Für den Bericht „Zum Abschminken: Plastik in Kosmetik“ hat die Organisation 664 Produkte elf beliebter Make-Up-Hersteller untersuchen lassen und u.a. festgestellt, dass sich in Kosmetikprodukten für Augen und Lippen die höchsten Plastik-Konzentrationen befinden. Dies hat Greenpeace als besonders bedenklich eingestuft, da Stoffe über die Augen sowie die Lippen besonders schnell und einfach in unseren Körper gelangen können. [4]

Aber nicht nur unser Körper wird „beschmutzt“, sondern auch die Umwelt. Über die Anwendung von Kosmetikprodukten gelangt Mikroplastik in die Abwässer und in Klärschlämme. Zwar sind die Mengen an Mikroplastik aus Kosmetika und Reinigungsmitteln im Vergleich zu anderen Mikroplastikeinträgen in die Umwelt (z.B. Reifenabrieb als sekundäres Mikroplastik) geringer [3], es sind aber trotzdem noch ca. 50.000 Tonnen pro Jahr allein in Deutschland [4, 7]. Und der feine Unterschied ist, dass Mikroplastik in Kosmetika bewusst zugesetzt und nur für diese Produkte produziert wird (primäres Mikroplastik).

Zusätzlich zu den stoffeigenen – teilweise noch gar nicht abschätzbaren – Auswirkungen des Mikroplastiks selbst, dient Mikroplastik als „Andockstelle“ für andere schädliche Chemikalien, mit denen wir die Natur bereits verunreinigt haben. Anders formuliert: Die Plastikteilchen wirken wie ein Magnet auf schwer abbaubare Umweltgifte. Das heißt sie sorgen dafür, dass die einzelnen Umweltgifte zu einem großen „Haufen“ zusammenkommen. Dadurch gelangen die Umweltgifte anschließend in höher konzentrierterer Form in die Nahrungskette.

Der Weg vom Bad in die Meere und weiter

Mikroplastik befindet sich neben Kosmetikprodukten auch in Waschmitteln und den Kunstfasern unserer Kleidungsstücke und Handtücher. Wenn wir dann Zuhause duschen oder die Waschmaschine nutzen, gelangt das Mikroplastik über die Abwässer in die Kläranlage. Dort wird zwar der Großteil an Mikroplastik gefiltert, mit dem Klärschlamm kann das Mikroplastik allerdings wieder in die Umwelt gelangen. Über Seen und Flüsse findet es dann schließlich den Weg in die Meere. Doch damit nicht genug: Kleine und große Meerestiere nehmen das Mikroplastik auf. Wenn der Fisch oder die Meeresfrüchte dann wieder auf unserem Teller landen, hat sich das Mikroplastik inklusive der gesammelten Giftstoffe auch in unsere Nahrungskette eingeschlichen. Erschreckend ist: Auch das meiste Meersalz enthält inzwischen Plastikteilchen. Fest steht, dass jeder von uns täglich etwa 5g Mikroplastik zu sich nimmt. Die Folgen für unseren Körper sind noch unerforscht.

Warum ist Mikroplastik in Kosmetika nicht verboten?

Die Antwort: Es ist in Arbeit.

In der Vermeidung von Mikroplastik in Kosmetikprodukten hat das Umweltbundesamt einen Teilerfolg zu verzeichnen. Mit allen Kosmetikherstellern wurde eine freiwillige Empfehlung vereinbart, kein Mikroplastik mehr für abrasive Zwecke (also in Peelings) zu verwenden. Ob die Hersteller sich dieser „freiwilligen Empfehlung“ annehmen, steht auf einem anderen Blatt. Auch die Anwendung als Trübungsmittel wurde bisher noch gar nicht berücksichtigt.

Da es sich um freiwillige Empfehlungen handelt, scheint eine europaweite gesetzliche Regelung erforderlich zu sein und wird auch von Umweltschutzverbänden gefordert. Eine solche einheitliche Regelung befindet sich zurzeit laut Umweltbundesamt ebenso in der politischen Diskussion. Flüssige Kunststoffe werden dabei bisher aber nach wie vor nicht berücksichtigt.

Wie erkenne ich Mikroplastik in Kosmetik?

Leider steht auf den Verpackungen nicht „enthält Mikroplastik“. Und eigentlich wollen wir als Verbraucher auch nicht erst Chemie studieren müssen, um die (auch noch auf Englisch) aufgeführten Produktbestandteile verstehen zu können. Wer sich aber doch auf die Suche nach den Inhalten machen möchte, findet auf der Seite der Verbraucherzentrale einige Bezeichnungen verschiedener Chemikalien. [5] Das ist für den Alltag aber wenig praktikabel. Eine gute und einfache Möglichkeit, Produkte auf schädliche Inhaltsstoffe wie Mikroplastik zu untersuchen, ist die ToxFoxApp des BUND. [6] Mit der App kann man das entsprechende Produkt einscannen und erhält die Bewertung der Inhaltsstoffe. Falls ein Produkt noch nicht in der Datenbank enthalten sein sollte, kann direkt eine Mail an den Hersteller gesendet werden. Dies funktioniert nicht nur für Kosmetika, sondern auch für Spielzeuge.

Weitere Informationen zur ToxFoxApp des BUND gibt es unter  www.bund-naturschutz.de/oekologisch-leben/einkaufen/toxfox

Die App „Codecheck“ als Hilfe beim Einkauf

Eine weitere App zur Überprüfung der Inhaltsstoffe ist die App „Codecheck“. Wie der Name schon sagt, „checkt“ die App die Barcodes oder QR-Hinweise auf Produkten. Als Barcode und QR-Scanner ist sie für IOS und Android erhältlich.

Die Bedienung ist kinderleicht. App runterladen, installieren und starten. Im Menü „Strichcode scannen“ wählen, Smartphone über den Barcode des Shampoos halten und kurz warten. Wurde der Barcode erfolgreich eingescannt, gibt die App Informationen darüber, welche Inhaltsstoffe im Shampoo stecken. Bedenkliche Stoffe sind rot hervorgehoben, unproblematische Stoffe sind grün markiert. Ein echter Vorteil: Die App schlägt auch Alternativen ohne Mikroplastik vor.


Weitere Informationen zur App „Codecheck“ gibt es unter www.codecheck.info/so-gehts/mobil

Welche Alternativen gibt es?

Als Alternativen gelten nicht nur die Hausmittel unserer Oma. Auch große Kosmetikfirmen haben mittlerweile alternative Produkte ohne Mikroplastik in ihrem Sortiment. Erste Hinweise auf ein solches Produkt geben Labels wie der blaue Engel oder das EU-Ecolabel.

Eine weitere Möglichkeit ist die Nutzung von zertifizierter Naturkosmetika. Im Gegensatz zu anderen Kosmetik-Produzenten nutzen Hersteller von Naturkosmetik Naturstoffe wie Bienenwachs, Reiskleie oder Stärke und setzen Meeresalgen, Kieselgel oder Ton für ihre Produkte ein. Zwar gibt es auch hier keine komplette Sicherheit, dass die Produkte 100% frei von Mikroplastik sind, da einige Kunststoffe aus sogenannten „biologisch abbaubaren Kunststoffen“ bestehen könnten. Das ist aber selten auch wirklich der Fall.

Fazit

Forscher können bislang nicht sagen, was Mikroplastik im menschlichen Körper bewirkt. Es fehlen aussagekräftige Langzeituntersuchungen. Mikroplastik in Kosmetik-, Reinigungs- und Pflegeprodukten ist eigentlich eine komische Vorstellung. Wenn man aber weiß, wie man es im Laden erkennt und wie man es vermeiden kann, dann lassen sich viele Alternativen (fast) jeder Preiskategorie finden. Das ist sicher besser für uns, für alle anderen Lebewesen und für unsere Umwelt. Fangen wir an.

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