Verschiedene Verpackungen auf schwarzem Hintergrund

Sind „grüne“ Verpackungen wirklich umweltfreundlich?

27. Mai 2021 | Lesedauer 6 Minuten

Milch, Wurst, Käse: Viele Lebensmittel sind in Plastik verpackt. Die sogenannten Leichtverpackungen sind oft die erste Wahl, Lebensmittel luftdicht und wasserabweisend zu verpacken. Damit einhergehende Verpackungs- und Müllprobleme stehen besonders aktuell im Diskurs: Plastik überschwemmt bereits unsere Meere, ist in unseren Böden und in unseren Lebensmitteln. Hersteller setzen derweil auf „grüne“, vermeintlich nachhaltigere Verpackungen, die die Umwelt weniger belasten sollen. Die Recyclingaspekte werden direkt auf den Verpackungen kommuniziert. Wir stellen die Frage: Sind „grüne“ Verpackungen wirklich nachhaltiger?

Kompostierbare und umweltfreundliche Kaffeekapseln?

Defekte Kaffeekapsel mit Kaffee vor intakten

Wenn es nicht zu aufwändig ist, geben wir uns alle gern Mühe, der Umwelt etwas Gutes zu tun. So auch bei vermeintlich umweltfreundlicheren Verpackungen. Dabei locken Begrifflichkeiten wie „leicht zu recyceln“ oder „weniger Kunststoff“ auf dem Bio-Milch- Getränkekarton. Ein sehr gutes Beispiel liefern in dieser Hinsicht Kaffeekapseln.

Wir Deutschen sind leidenschaftliche Kaffeetrinker, immer häufiger werden nur einzelne Tassen anstatt einer ganzen Kanne gebrüht. Kaffeekapseln werden immer beliebter, verursachen aber ein enormes Müllproblem – gerade im Vergleich zu einer herkömmlichen Kaffeemaschine, die Kaffeebohnen oder gemahlene Bohnen verarbeitet. Der entscheidende Faktor ist dabei die Verhältnismäßigkeit von Produkt und Abfall: Die etwa sechs Gramm Kaffee, werden von etwa 4-5 Gramm Kapsel plus Umverpackung umhüllt. Das Kaffeekapseln sind ökologisch betrachtet sinnfrei. Es handelt sich bei diesem Produkt um pure Ressourcenverschwendung. Die Müllmengen steigen und steigen.

Kaffeekapseln galten zwischenzeitig folgerichtig als nicht sehr umweltfreundlich, wurden aus vielen Haushalten verbannt. Einige Zeit später tauchten sie in neuem Gewand wieder auf, das als „kompostierbar“ bezeichnet wird: Das Image schien positiv aufgefrischt und die Kapselmaschinen wurden wieder hervorgeholt. Fakt ist: Laut gesetzlichen Regelungen ist es nicht erlaubt, kompostierbare Kaffeekapseln in der Biotonne zu entsorgen. Das bedeutet, es entsteht weiterhin der gleiche Anteil von Verpackungsabfall. Eine echte Mogelpackung.

Recyclingversprechen auf Verpackungen: Verbraucher*innen bewerten

Stehende und liegende Verpackungen

Ob Kaffeekapseln, Wurstverpackung oder Zahnpastatube: Geht es unserer Umwelt mit diesen Verpackungen wirklich besser? Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hat Verbraucherinnen und Verbrauchern 60 Verpackungen vorgesetzt, die sie lediglich aufgrund ihres Äußeren auf Nachhaltigkeit bewerten sollten. Ergebnis: Basierend auf ihrer Aufmachung bewerteten die Personen die Verpackungen deutlich nachhaltiger, als die Fachleute der Verbraucherzentrale es taten. Dabei waren vor allem Aussagen wie „leicht zu recyceln“ oder „weniger Kunststoff“ ausschlaggebend. Fakt ist jedoch: Die Verpackungen waren nicht grundsätzlich nachhaltiger. Für eine umweltfreundliche Verpackung sind Kunden aber oft bereit, mehr Geld auszugeben. Das ist nicht selten der wahre Grund für eine aufwendige Verpackungen, hinter der dann oft nur ein leeres Versprechen steckt.

Echter Verpackungsmüll bei „öko“-Zahncremes

Zahncremetube neben Papierverpackung

Zusätzliche Umverpackungen sind nicht selten, in den meisten Fällen aber völlig überflüssig und sinnfrei. Informationen könnten ebenso auf der Erstverpackung platziert werden. Zahncremes liefern hier ein Paradebeispiel und wurden in weiteren Tests besonders kritisch bewertet. Die Zahncremes, die in einem Zusatzkarton verpackt waren, wirkten auf den Kunden zwar besonders umweltfreundlich; es handelt sich dabei aber eher um Ressourcenverschwendung, denn hinter dem Karton befindet sich nach wie vor eine klassische Zahnpastatube aus Kunststoff. Zwischenfazit: Das muss doch nicht sein. Die IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen (IK) kritisiert besonders den Ersatz von Kunststoffverpackungen durch Papierverbunde, also Verpackungen aus einer Mischung von Kunststoff und Papier. Eine Studie der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM) sieht die IK als Bestätigung für das Offensichtliche: Kunststoffverpackungen durch Papierverbunde zu ersetzen, ist kein Fortschritt. Nahezu vollständig recyclefähige Verpackungen durch den nicht so leicht recyclebaren Materialmix auszutauschen, sei momentan ökologisch nicht sinnvoll, es handle sich der IK nach gar um „Greenwashing“. Fazit der IK: Kommt es bei der Verpackung darauf an, dass sie die Eigenschaften von Kunststoff hat, sollte auf andere Materialien verzichtet werden, um so zumindest die Recyclingfähigkeit zu bewahren.
Sobald etwas anderes wie Papier ins Spiel kommt, wird es immer schwieriger, kostspieliger und zeitintensiver, die Materialien zu trennen und der richtigen Fraktion sortenrein zuzuführen. Warum es dennoch diesen Trend aktuell gibt – vor allem bei teureren und nicht selten bei Bio-Produkten? Hersteller möchten sich vermutlich so ihren Anteil am Markt sichern – designbasierte Wettbewerbsfähigkeit quasi.

Getränkekarton im „Altpapier-Look“ mit CO2-Emissionen

Unterer Teil einer Getränkeverpackung

Eine Verpackungssorte schnitt bei den Tests der Verbraucherzentrale NRW ebenfalls sehr schlecht ab: Bio-Milchkartons im „Altpapier-Look“. Die Kritik: Hier sind Bio-Produkte in Getränkekartons abgefüllt worden, die suggerieren, die Verpackung könne anschließend übers Altpapier entsorgt werden. Dabei gehören Getränkekartons meistens weder in die Papier- noch in die Restmülltonne, weil sie alles andere als umweltfreundlich sind. Sie müssen stattdessen über den Gelben Sack oder die Gelbe Tonne entsorgt werden. Es handelt sich weiterhin um sogenannte Verbundverpackungen. Das bedeutet, dass diese Verpackungen aus einem Verbund von Papier-, Aluminium- und Plastikfolien bestehen, die alle miteinander verklebt sind.

Liegender vor stehendem Getränkekarton

Die Hersteller werben zwar mit hohen Recyclingraten, aber der Prozess, die Stoffe später wieder voneinander zu trennen, ist sehr aufwändig. Das bedeutet nicht, dass aus recycelten Getränkekartons wieder neue werden; vielmehr werden die Materialien downgecycelt und dann in Bau- und Industriestoffen verwertet, verbrannt oder anderes.

Die Deutsche Umwelthilfe bezeichnet den Getränkekarton allgemein als „besonders problematisch: Getränkekartons setzen nicht auf Recyclingmaterial, sondern werden immer wieder aus neuem Plastik, Papierfasern und Aluminium hergestellt. Auch der Papieranteil macht Getränkekartons nicht umweltfreundlich. Schließlich ist die Papierherstellung mit massiven CO2-Emissionen verbunden und alles im Papier gebundene CO₂ wird am Ende wieder freigesetzt.“
Merke dir: „Recyclingfähig“ bedeutet nicht, dass auch wirklich recycelt wird. Und „Recycling“ bedeutet nicht, dass neuwertige Produkte daraus werden.

Verpackungsdesign: Schein und Wirklichkeit in Sachen Recycling

Verpackungsdesign ist und bleibt ein Marketinginstrument. Bei zunehmendem Bewusstsein der Verbrauchenden für Umweltthemen werden entsprechende Hinweise auf den Verpackungen platziert. Das gibt den Kundinnen und Kunden ein gutes Gefühl beim Kauf. Unser Entscheidungsprozess wird heute nicht nur von Farb-, Formeinflüssen und persönlichen Interessen gesteuert, sondern auch von gesellschaftlichen Gegebenheiten beziehungsweise Themen. Umweltbewusstsein steht hier bei vielen ganz oben und nimmt bei der Kaufeinscheidung einen zentralen Aspekt ein. In diesem Kontext schneidet ein Produkt, das sich in einer ästhetischen Verpackung befindet und das Thema Recycling im Verpackungsdesign berücksichtigt, eher gut als schlecht ab. Hersteller und Marketingfachleute haben das längst erkannt und nutzen es als Instrument, um uns Verbraucherinnen und Verbraucher nach wie vor zum Kauf zu bewegen, ohne viel am Verhalten ändern zu müssen. Die Branche hat einen eigenen Namen: Verpackungsdesign. Es gibt bereits eigene Studiengänge für diesen Bereich. Die Aufschrift „recyclebare Verpackung“ ist nicht unbedingt ein Garant dafür, dass die Verpackung tatsächlich zu 100 Prozent recycelt wird.

Nachhaltigkeitstestsieger unter den Verpackungen

Der Test der Verbraucherzentrale NRW ergab auch positive Nachrichten: Nicht alle Hersteller und Verpackungsdesigner machen leere Werbeversprechen. Unter den getesteten Produkten zeichnete sich vor allem eine Branche in Sachen umweltfreundliche Verpackungen als glaubwürdig ab: die Drogerie-Branche. Verpackungen von Drogerieprodukten wurden sowohl von Verbraucherinnen und Verbrauchern als auch von den Fachleuten der Verbraucherzentrale als positiv bewertet. Diese bestanden aus Plastikteilen, die zu mehr als 90 Prozent recyclebar sind. Das ist ein überproportional hoher Wert. Sogar sogenanntes „Social Plastic“ war enthalten. Als „Social Plastic“ wird Plastik bezeichnet, das Menschen zum Beispiel beim Plogging oder bei einem Spaziergang aufgelesen und dann dem Wertstoffkreislauf zurückgeführt haben. Es gibt also nicht nur schwarze Schafe unter den Verpackungsherstellern.

Ein positives Beispiel ist in diesem Kontext Hamburgs Wertstoff Initiative. Dahinter stecken Veolia, Budni, Unilever, die Stadtreinigung Hamburg und die TU Hamburg. Gemeinsam haben sie das Waschmittel „Sieben Generationen“ auf den Markt gebracht. Das Besondere an dem Produkt: Die Flasche wird zu 100 Prozent aus dem Inhalt der Gelben Wertstofftonne hergestellt, das heißt, sie besteht aus Hamburger Rezyklat. Die Verpackung ist damit nachhaltig und umweltfreundlich.

Waschmittelflasche und Duschgelflasche nebeneinander

Persönliche Umwelt-Freunde

Auch wir konnten auf einem Beutezug durch die Supermärkte einige Verpackungen ausfindig machen, von denen wir selbst positiv überrascht waren. So hat beispielsweise Beiersdorf unter anderem eine Duschgel-Falsche aus Rezyklat auf den Markt gebracht, der man die Recyclingfähigkeit nicht ad hoc ansieht. Wer genau hinschaut, wird erkennen, dass die Verpackung nicht mehr rein weiß ist, sondern leicht gräulich. Ein Zeichen, dass auch hier recyceltes Plastik zum Einsatz kommt. Laut Angaben des Herstellers sollen es 96 Prozent sein.

Nach eigener Aussage will der Konzern bis 2025 den Einsatz von erdölbasiertem Neuplastik um die Hälfte reduzieren, den Recyclingmaterial-Anteil seiner Kunststoffverpackungen auf 30 Prozent erhöhen und alle eigenen Produktverpackungen wiederbefüllbar, wiederverwendbar oder recyclingfähig gestalten. Wir verfolgen gespannt, ob diese Ziele umgesetzt werden können.

Es ist somit nicht alles reine Marketingstrategie und leere Botschaft. Es lohnt sich aber, bei vermeintlich „grünen“ Verpackungen ganz genau hinzuschauen, was draufsteht, und sich schlau zu machen, was dahintersteckt. Nicht überall, wo „Öko“ oder „Bio“ draufsteht, ist Nachhaltigkeit und Umweltschutz drin. Und nicht vergessen: Auch die nachhaltigeren Verpackungen bringen nur etwas, wenn sie in der richtigen Tonne landen. Trennen rockt!

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