Wir finden, dass das Thema Klimaschutz nach wie vor die größte Aufmerksamkeit braucht. Mülltrennung ist ein Schlüssel, wir alle können aber noch viel mehr tun. Noch haben wir unsere Zukunft in der Hand. Fangen wir also mit einem klimafreundlichen Alltag an. Wir zeigen, wie dieser aussehen könnte, denn auch unser Konsum ist ein Signal an „die da oben“.
Getränkedosen – Recyclingheld oder Umweltschädling?
Getränkedosen – beinahe immer und überall griffbereit und ein echter Verkaufshit mit immer weiter steigenden Beliebtheitswerten: Während 2005 rund 100 Millionen Getränkedosen in Deutschland über die Ladentheken gingen, waren es 2019 bereits schon 3,9 Milliarden. Dank des Pfandsystems und der großartigen Recyclingquote völlig unbedenklich, oder etwa nicht?!
Ein Beitrag von Bjarne Münster aus dem TBZ Flensburg über die Vor- und Nachteile der Getränkedose und die Besonderheiten in der Grenzregion.
Ob Wasser, Eiskaffee oder das deutsche Kulturgut Bier: Abgefüllt in einer Getränkedose lassen sich diese und viele weitere Getränke in den Regalen der meisten Supermärkte wiederfinden. Seit 2003 sind Getränkedosen Teil des deutschen Pfandsystems und gewinnen immer mehr an Beliebtheit. Sowohl bei Herstellern als auch bei Konsumenten. Gerade an heißen Sommertagen kann eine kleine, gekühlte Dose in stylischem Design genau das Richtige sein, um den Durst schnell zu stillen. Ein schlechtes Gewissen gegenüber der Umwelt? Fehlanzeige! Die handliche Getränkedose kann direkt nach dem Genießen beim Supermarkt um die Ecke wieder abgegeben werden und ist somit den meisten bekannt als Recyclingheld unter den Getränkeverpackungen – doch ist das wirklich so?
Inhaltsverzeichnis
Was steckt hinter dem Recyclinghelden?
Getränkedosen bestehen in den meisten Fällen aus Aluminium oder Weißblech sowie einer dünnen Kunststoffschicht im Inneren der Dose. Diese schützt vor Metallen, die sich im Laufe der Zeit im Getränk lösen können. Abgesehen von der Kunststoffschicht besteht eine Dose somit nur aus so genanntem Permanent Material.
Unter permanentem Material versteht man Stoffe, die sich, trotz wiederholter Nutzung in verschiedensten Produkten, in ihren Grundeigenschaften nicht verändern oder abnutzen und somit permanent wiederverwendet werden können – sprich Getränkedosen können grundsätzlich zu 100 % recycelt und wiedergenutzt werden.
Gerade in Deutschland macht man sich diese Eigenschaft zu Nutze, denn rund 92,9 % der im Privathaushalt anfallenden Weißblechverpackungen sowie 87 % der Aluminiumverpackungen wurden 2015 recycelt. In Europa liegt der Durchschnitt an recycelten Metallverpackungen währenddessen bei 74,7 %.
Aus logistischer Sicht scheint die Getränkedose tatsächlich ein wahrer Umweltsegen zu sein. Denn durch das geringe Gewicht und die Beschaffenheit einer Dose liegt das Verhältnis zwischen Inhalt und Verpackung im Schnitt bei rund 97 % Inhalt und gerade mal 3 % Verpackung. Somit ist der Dosentransport im Vergleich zu anderen Getränkeverpackungen ökologisch effizient, da viel Inhalt und wenig Verpackungsmaterial transportiert wird.
So weit, so gut – doch wo ist der Haken?
Bei der Herstellung durchlaufen Dosen viele verschiedene Stationen, bis sie schlussendlich in den Regalen unserer Supermärkte landen. Beginnend bei der Rohstoffbeschaffung des Aluminiums über die Verarbeitung zur Dose bis hin zum Weg in den lokalen Supermarkt.
Doch besonders die Rohstoffbeschaffung ist mit einem außergewöhnlich hohen Energieaufwand und oftmals nicht messbaren Umweltfolgen verbunden. Für die Herstellung müssen Eisen- und Aluminiumerz gewonnen werden. Neben Böden in Afrika, Australien oder Asien kommt es bei der Rohstoffgewinnung auch zur Rodung südamerikanischer Urwälder.
Darüber hinaus stehen jeder gewonnenen Tonne Aluminium bis zu vier Tonnen giftiger Rotschlamm gegenüber – ein Abfallprodukt, welches bei der Gewinnung von Aluminiumoxid anfällt. Nicht zu selten landet der entstandene Rotschlamm in den naheliegenden Gewässern und Böden, was zur Vergiftung des Grundwassers oder zu ganzen Umweltkatastrophen führen kann. Im Oktober 2010 kam es nahe der ungarischen Gemeinde Kolontár zu einem Dammbruch eines Rotschlamm-Deponiebeckens. Infolgedessen wurden 150 Menschen verletzt, zehn starben. Etwa 40 Quadratkilometer wurden von rund einer Million Kubikmeter Rotschlamm überflutet und gelangten unter anderem in die anliegende Donau.
Das Dosendilemma an der deutsch-dänischen Grenze
Riesige Lagerhallen, überfüllte Parkplätze und Kofferräume dänischer Fahrzeuge bis unter das Dach gefüllt mit verschiedensten Getränkedosen-Paletten. Kein ungewöhnlicher Anblick, wenn man aus der deutsch-dänischen Grenzregion kommt. An der Grenze zu Dänemark boomt seit Jahren das Geschäft mit den Getränkedosen.
Die Grenzmärkte bieten Getränkedosen-Paletten nur für den Export an. Diese sind somit vom Pfand befreit. Wer Dosen kaufen möchte, zahlt keinen Pfand, muss aber nachweisen können, dass diese für den Export gedacht sind. Ein Fauxpas im Hinblick auf den Umweltschutz. Die verkauften Dosen sind somit kein Teil des effizienten deutschen Pfandsystems und landen oftmals in der freien Natur, wodurch naheliegende Strände und Naturgebiete verunreinigt und Wildtiere gefährdet werden.
Schätzungen zufolge verlassen jährlich rund 650 Millionen Dosen ohne Pfand-Symbol Deutschland in Richtung Dänemark. Seit Jahren versuchen die deutsche und dänische Regierung, dem Dilemma ein Ende zu setzen – ohne Erfolg. Bereits 2015 unterzeichneten die Umweltministerien von Berlin, Kiel und Kopenhagen ein Konzept, welches es dänischen Bürgern ermöglichen soll, den dänischen Pfandbetrag nach Einkauf an Grenzmärkten erstattet zu bekommen. Auch acht Jahre später ist die Situation unverändert und das Pfandschlupfloch an den Grenzmärkten nicht behoben.
Fazit: Ob Aludose oder PET-Flasche – Einweg bleibt Einweg!
Auf den ersten Blick erscheint die Getränkedose durch ihre Zusammensetzung und Recyclingmöglichkeiten als ein genialer Ausweg aus dem Verpackungsdilemma. In einem funktionierenden Recyclingsystem können Rohstoffe gespart, Rodungs- und Abbauflächen geschützt und Lebensraum erhalten werden.
Doch Beispiele wie das Grenzmarktproblem oder der Kolontár-Dammbruch in Ungarn zeigen auf, dass auch die augenscheinlich beste Alternative ihre Nachteile mit sich bringt. Wer sich an einem heißen Sommertag ein kaltes Döschen seines Lieblingsgetränks gönnen möchte, sollte dies selbstverständlich auch tun. Doch beim Griff zu einem Kaltgetränk in einer bunten Dose aus dem Kühlregal sollte man sich fragen, ob das erfrischende Wasser aus dem Wasserhahn nicht die bessere Alternative ist.